Ein regnerischer Abend, der Himmel ist rabenschwarz und am Horizont zucken die Blitze. In das Donnergrollen mischt sich das Geheul von Wölfen. Auf einem Felsvorsprung steht majestätisch ein grosses Schloss. Zwei verlorene Wanderer - nass bis auf die Knochen - irren durch die Nacht, sehen die erleuchteten Fenster und steuern direkt auf ihr Verderben zu.
Der tapfere Mann hämmert mit dem Türklopfer, der aus einem schreienden Gesicht geschmiedet ist, gegen die hohe Eisentür und der Wiederhall erschüttert die Frierenden bis ins Mark. Die Tür wird einen Spalt breit geöffnet und eine zwielichte Gestalt streckt ihren Kopf heraus. Die zwei Fremden werden hereingebeten, doch Furcht kriecht ihnen den Rücken hinunter, als sie von dem Diener in den grossen Speisesaal geführt werden. Ein langer Tisch ist gedeckt, die einzige Lichtquelle sind die Kerzen, die in silbernen Kerzenständern überall im Raum aufgestellt sind. Das flackernde Licht wirft Schatten an die Wände. Am Kopfende des Tisches sitzt ein grauhaariger, natürlich schneeweisser Herr in Anzug. Ihm gegenüber sitzt ein weibliches Pendant mit schwarzen, langen Haaren und roten Lippen. Die zwei Wanderer setzen sich an den Tisch, sich gegenüber.
Und da wird das Essen von fischgesichtigen Kellnern aufgetischt:
Vor ihnen auf dem Teller liegt ein Eierschwämmchen-Lauch-Töpfchen. Um den Gastgebern keinen Anlass zur Wut zu geben, essen sie die Teller leer und auch der zweite Gang - den Kabissalat mit Portweintrauben und geräucherter Entenbrust- essen sie tapfer. Doch das Grauen scheint kein Ende nehmen zu wollen: der gefüllte Fenchel an Dillrahmsauce gibt ihnen den Rest. Sie flüchten, so schnell sie können.
Naja. Das war jetzt vielleicht etwas zu dramatisch. Das Eierschwämmchen-Lauch-Töpchen war gar nicht so schlecht! Und wir sind keine Vampire. Und unsere Wohnung kein Schloss. Und geregnet hat es auch nicht.
Aber unsere zwei Gäste verliessen bestimmt genauso fluchtartig unsere Küche. Auch wenn der Hauptgang (er passte nicht mehr in die Geschichte) Fleischkäse nach Wiener Art wirklich geniessbar war, stolz auf das Dinner konnten wir nicht sein.
Was die zwei einsamen Wanderer jedoch nicht wussten - wären sie einige Tage später irrend zum Gruselschloss gelangt, hätten sie kulinarische Höhenflüge erleben können. Der Schweinsbraten mit Salbei und Knoblauch (njam) ein Tag später, oder der Tomaten-Rucola-Salat mit geröstetem Brot (njam-njam) oder (das absolute Highlight) den Zwetschgen-Schokoladen-Cappuccino - alle diese Rezepte hätten ihnen serviert werden können. Doch natürlich ausgerechnet an diesem regnerischen Tag … Pech gehabt.
Und die Moral von der Geschichte - auch Vampire können gute Köche sein!
106 to go.
A.
Ps: Je nachdem wären sie auch gerade dann gekommen, als die zwei Vampire ihre Finger mit Salzzitronenmarinade unter die Haut eines Mistkratzerli steckten… (Salzzitronen finden sich übrigens in Türkischen Supermärkten - zum Glück wohnen wir in einer Stadt, in der es so was hat - und sie schmecken nach Zitronenseife)